Auch das krisengeschüttelte vergangene Jahr brachte uns vereinzelte Tage grosser Freude, für die es unbedingt innezuhalten gilt, um sie in aller Form zu würdigen. Am 11. April feierte Klara Obermüller, die von 2006 bis 2010 als Präsidentin des Fördervereins amtete, ihren 80. Geburtstag! Zeit also, unserer geschätzten Jubilarin aus dem beschaulichen Männedorf ein kleines bescheidenes Bouquet zu binden und kurz zurückzublicken auf das Leben und Wirken einer der verdientesten Schweizer Literaturwissenschaftlerinnen und Kulturjournalistinnen der letzten Jahrzehnte.

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In St. Gallen zur Welt gekommen, fasste Obermüller als junge Frau zunächst ein Medizinstudium ins Auge. Dass sie sich dann schliesslich doch noch in letzter Minute umbesann und für die Literatur entschied, war einer Lektüre von Albert Camus’ Roman La Peste geschuldet. Aus ihr ging die aufwühlende Einsicht hervor, «wie wenig ein Arzt gegen das Leiden auf dieser Welt auszurichten vermag»[1] – ein Missverständnis, wie Obermüller heute offen zugibt. Aber gleichzeitig ein Glücksfall für den Schweizer Journalismus!
 
Nach einem Studium der Germanistik, Romanistik und Geschichte in Zürich, Hamburg und Paris, gekrönt mit einer Dissertation zur deutschen Barocklyrik, hob Mitte der Sechzigerjahre eine einmalige, mit vielen schillernden Stationen gepflasterte Berufslaufbahn an. Obermüller schrieb zunächst für die Kulturzeitschrift du, dann für das Feuilleton der NZZ und schliesslich viele Jahre für die Weltwoche. Daneben arbeitete sie u.a. freiberuflich fürs Schweizer Radio, verfasste Hörspiele und Jugendbücher (Gehen wir, Nebel über dem Ried, Gaby S.) und betätigte sich als Übersetzerin aus dem Französischen. Von 1996 bis zu ihrer Pensionierung 2002 war sie zudem als Moderatorin der Sternstunde Philosophie im Schweizer Fernsehen zu sehen. Bis heute ist sie als freie Publizistin, Herausgeberin und Referentin eine gefragte und spitzfindige Kommentatorin unterschiedlicher gesellschaftspolitischer Themen.
 
Mit dem Zürcher Journalistenpreis 2019 erfuhr diese unvergleichliche journalistische Karriere jüngst die ihr gebührende Würdigung.
 
Im Zuge ihres langen publizistischen Wirkens entwickelte Obermüller ein feines Sensorium für Fragen der Geschlechtergleichstellung und trat mit unermüdlichem Einsatz für diese ein. Besonders am Herzen liegt ihr die Bekanntmachung der Schicksale historischer Frauen, die unter dem Druck der patriarchalen Gesellschaft zu mutigen und selbstlosen, ja selbstaufopfernden Entscheidungen bereit waren, dafür von der Geschichtsschreibung aber nach wie vor zu wenig gewürdigt werden. Auch Obermüller selbst musste einst eine solche, nicht zuletzt existenzbedrohende Entscheidung fällen: Als sie 1977 den linksprogressiven Schriftsteller Walter Matthias Diggelmann heiratete, lautete das harte Verdikt ihres damaligen Arbeitgebers, der bürgerlichen NZZ: «Ehemann oder Stelle».[2]
 
Klara Obermüller entschied sich: «für die Liebe und gegen die Karriere»[3] – und machte fortan erst recht Karriere.
 
Ein weiteres wichtiges Thema, mit dem sich Obermüller jahrzehntelange publizistisch auseinandersetzte, war die Kirche. Ihr reges Engagement für eine theologische Emanzipation kam so richtig ins Rollen, als sie Ende der Achtzigerjahre gegen die Wahl Wolfgang Haas’ zum Churer Bischof aufstand, sich «zum Sprachrohr seiner Gegner»[4] machte. Wenige Jahre zuvor hatten Kirche und Theologie zudem auch im Privaten an grosser Bedeutung gewonnen: Nachdem Walter Matthias Diggelmann 1979 nach langem Kampf an Krebs gestorben war, lernte Obermüller den Kapuzinerpater Kurt Studhalter kennen und lieben. Studhalter legte den Zölibat nieder, die beiden heirateten.
 
Gerne erinnert sich Klara Obermüller an die ungewöhnlichen Umstände ihres Kennenlernens zurück: Ein zufälliges Telefonat war’s, eine sympathische, irgendwie umgehend vertrauenswürdige Stimme, der man einfach alles erzählen konnte – und prompt sind «[a]us diesem Telefonat [...] mittlerweile bald 40 Ehejahre geworden».[5]
 
Dem Laudator kommt ein schönes, zeitloses Zitat Camus’ in den Sinn: «[A]imer un être, c’est accepter de vieillir avec lui»[6].
 
Seit ihrer Pensionierung beschäftigt sich Obermüller auch intensiv mit dieser grossen ‹unausweichlichen Zumutung› (Veza Canetti) des Lebens: dem Älterwerden. Es schneit in meinem Kopf (2006), Ruhestand – nein danke! (2007) und Weder Tag noch Stunde (2007) sind Titel, in denen feinfühlige Anschauungen zu Alzheimer und Demenz, einem grundsätzlichen ‹What now?› im Lebensherbst, Sterben und Tod versammelt sind. Obermüller redet offen darüber, dass ihr Ruhestand sie völlig überrumpelt und in eine Identitätskrise gestürzt habe. «Es ist mir sehr schwergefallen, in eine andere Gangart zu wechseln. Sobald ich nichts tat und müßig war, plagte mich das schlechte Gewissen.»[7] Als aktive Person, die raus muss, sich mitteilen, mitreden, kam es für sie denn auch nicht infrage, nach dem Ende ihrer beruflichen Laufbahn kürzerzutreten.
 
Trotz aller ungebrochenen Umtriebigkeit gaben die letzten Jahre Obermüller auch genügend Raum für Introspektion, für Besinnung und Rückbesinnung. In ihren Memoiren Spurensuche (2016) blickt sie entlang von zwölf «Lebensbildern» zurück auf ihr bewegtes Leben und spricht dabei zum ersten Mal auch öffentlich über ihre Adoption und die unbekannte leibliche Mutter, von der ihr zeitlebens nur eine einzelne Fotografie geblieben war. Im zuletzt (2020) erschienenen Tagebuch Die Glocken von San Pantalon, entstanden im Rahmen eines «Writers-in-Residence»-Stipendiums in Venedig, begegnen wir zudem einer Autorin, die für einmal ganz in sich gekehrt ist und einfach sein kann, «[v]ier Monate ohne konkrete Aufgabe und ohne festes Ziel».[8]
 
Der Vorstand des Fördervereins blickt mit grosser Dankbarkeit zurück auf die Zeit, in der ihm Klara Obermüller als engagierte und tatkräftige Präsidentin vorsass, und wünscht ihr von Herzen alles Gute und weiterhin viel Freude und Schaffenskraft für die kommenden Jahre!

 
Benedikt Tremp
 
1 Susanne Leuenberger/Oliver Demont: «Klara Obermüller: Warum suchen Sie das Unfassbare, Frau Obermüller?». In: DIE ZEIT, Nr. 32/1997 (https://www.zeit.de/2019/32/klara-obermueller-journalismus-kirche-feminismus).
2 Philippa Schmidt: «Eine Frau, die in keine Schublade passt». In: Zürichsee-Zeitung, 10.06.2016 (https://www.zsz.ch/meilen/eine-frau-die-in-keine-schublade-passt/story/22330028).
3 Charles Linsmayer: «Autorin Klara Obermüller warnt: ‹Ob uns die Pandemie zur Belehrung dient, muss sich erst zeigen›». In: Tagblatt, 10.04.2020 (https://www.tagblatt.ch/kultur/autorin-klara-obermueller-warnt-ob-uns-die-pandemie-zur-belehrung-dient-muss-sich-erst-zeigen-ld.1211748).
4 Susanne Leuenberger/Oliver Demont
5 Ebd.
6 Albert Camus: Caligula suivi de Le Malentendu. Paris: Éditions Livre de Poche de chez Hachette 1966. S. 151.
7 Barbara Lukesch: «Klara Obermüller: ‹Ich blicke in ein schwarzes Loch›». In: DIE ZEIT, Nr. 34/2013 (https://www.zeit.de/2013/34/alter-gespraech-klara-obermueller).
8 Die Glocken von San Pantalon. Zürich: Xanthippe Verlag 2020.

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Nachrichten

Liebe Klara,
Du hast den Förderverein durch Initiative und Engagement belebt, ich danke Dir.
Zu Deinem Geburtstag in diesem turbulenten Jahr meine herzlichen Glückwünsche, Irmgard
Irmgard Wirtz

Eine beeindruckende Karriere.
Ein beeindruckendes Werk.
Eine beeindruckende Frau!
Eine Ehre, Dich kennen zu dürfen, liebe Klara.
Sibylle Dorn

Chère Madame Obermüller,
je vous adresse de tout cœur mes meilleurs vœux pour votre anniversaire et mes sincères remerciements pour votre engagement pour l'association de soutien des ALS.
Marie-Christine Doffey

Liebe Frau Obermüller
Für Ihren Geburtstag übermittle ich meinen Dank für Ihre Verbundenheit und Ihre Arbeit für das Schweizerische Literaturarchiv und seinen Förderverein.
Mit besten Wünschen
Elena Balzardi

Liebe Klara
Mit Dir zusammen konnte ich vor Jahren eine literarische Wanderung aufgleisen. Und das in der unliterarischen Innerschweiz! Ich habe dank Dir viel gelernt, bei der Organisation der Wanderung in Schwyz ebenso wie danach im Förderverein des SLA.
Herzlich
Daniel Annen

Liebe Klara,
als begeisterte Studierende und Doktorandin von Max Wehrli haben wir Dich kennengelernt und Dein tapferes Leben und Schreiben freundschaftlich begleitet. Wir wünschen Dir weiterhin Glück für Dein engagiertes Wirken und im Übrigen Gelassenheit und Humor.
Peter und Sibylle Rusterholz

Liebe Klara Obermüller,
ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen. Sie waren immer auch ein Vorbild für mich, als engagierte und unerschrockene Citoyenne. Und ihre Memoiren "Spurensuche" haben mich ebenso bewegt wie berührt. Alles Gute und gute Gesundheit,
Martin R. Dean

Wir kannten uns nur von Ferne. Weshalb hatten wir telefoniert? Ich weiss es nicht mehr. Doch fragte ich Dich spontan, begleitest Du mich übermorgen nach Berlin, um die Ausstellung "Migration der Dinge" zu besuchen? Eine Stunde später kam Deine Nachricht mit der Reservation des Hotels. Ich buchte uns den Flug. Ich wünsche mir, dass das Reisen mit Dir bis in alle Ewigkeit weitergeht.
Katharina Epprecht

Cordielas gratulaziuns, stimeda duonna Klara, cun ün grand grazcha fich per Sieu ingaschamaint a favur da l'Archiv svizzer da litteratura.
Annetta Ganzoni

Im Namen des gesamten Zürcher Pressevereins wünsche ich dir, liebe Klara, alles erdenklich Gute, Gesundheit und schöne Momente.
Janosch Tröhler

Liebe Clara
Ganz herzlich gratuliere ich dir zum Geburtstag. Es ist zwar sehr lange her, seit wir uns das letzte Mal begegnet sind, doch dein Wirken bleibt immer unvergessen.
Herzlich Karin
Karin Huber

Liebe Klara Obermüller,
Von ganzem Herzen alles Schöne und das Beste vom Guten für die kommende Zeit! Und übrigens, das Interview in der Wochenzeitung habe ich sehr gerne gelesen.
Mit herzlichen Grüßen
Urs Heinz Aerni

Auch eine Ihrer Autorinnen bei der Weltwoche.
Alles Schöne und Gute für eine spannende Zukunft!
Mürra Zabel

Herzliche Gratulation und alles Gute für die Zukunft!
Christian Kuhn

Liebe Klara
Wir hatten eine gute Zeit zusammen im ZPV-Vorstand. Gerne erinnere ich mich und wünsche Dir weiterhin alles Gute.
Georges Müller

Noch viele schöne Jahre wünscht Margit
Margit Weinberg Staber

Liebe Klara Obermüller
Ich gratuliere zum hohen Geburtstag. Und der grossen und vielfältigen Leistung, die Du erbracht hast.
Ich erinnere mich, wie ich zuerst aus der Maschinensetzerei und im Korrektorat des Jean Frey-Verlags Dein Wirken bei der Weltwoche beobachtete. Später dann, nun nach meinem Geschichtsstudium selbst Journalist, als Produktionschef der Bilanz. Und Dich natürlich immer mit Vergnügen und Gewinn las. Besonders Deine sachkundigen und streitlustigen Beiträge zur katholischen Kirche.
Max Trossmann

Liebe Klara,
wenn man sich seit Unitagen kennt und sich auch beruflich immer wieder begegnet ist, gehört es sich sicher, Dir ganz privat und ganz persönlich das allerbeste zu wünschen. Mit einem Jahr Vorsprung weiss ich: Es gibt eine gute Zeit darnach.
Ganz herzlich
Paul
Paul Kretz

Jeder Mensch ist dazu bestimmt, zu leuchten!
"Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind, unsere tiefgreifendste Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, die uns am meisten Angst macht. Wir fragen uns, wer ich bin, mich brillant, großartig, talentiert, phantastisch zu nennen? Aber wer bist Du, Dich nicht so zu nennen? Du bist ein Kind Gottes.
Dich selbst klein zu halten, dient nicht der Welt. Es ist nichts Erleuchtetes daran, sich so klein zu machen, dass andere um Dich herum sich nicht unsicher fühlen. Wir sind alle bestimmt, zu leuchten, wie es die Kinder tun.
Wir sind geboren worden, um den Glanz Gottes, der in uns ist, zu manifestieren. Er ist nicht nur in einigen von uns, er ist in jedem einzelnen. Und wenn wir unser Licht erscheinen lassen, geben wir anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun.
Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind, befreit unsere Gegenwart automatisch andere." 

                                                            Nelson Mandela

Herzliche Gratulation, liebe Klara. Denn auch du gehörst zu denen, die  den Mitmenschen um dich sicher machen, und zum leuchten bringen. Hab Dank dafür!
Christine Röthlisberger

Liebe Klara Obermüller
Sie feiern Geburtstag, und ich erinnere mich an unsere Begegnung vor bald fünfzehn Jahren an der Uni Freiburg: An Ihre aufmerksam-beobachtende Begleitung der Tagung «Gleichgeschlechtliche Partnerschaft», an Ihr engagiertes Fazit und Ihre feinfühligen Gedanken. – Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Regula Gerber Jenni

Unterzeichnet von

Adolf Muschg
Yvonne-Denise Köchli
Christoph Geiser
Thomas Geiser
Iso Camartin
Ueli Jaussi
Janosch Tröhler
Zürcher Presseverein
Felix Aeberli
Karin Huber
Urs Heinz Aerni
Mürra Zabel
Karl J. Heim
Christian Kuhn
Georges Müller
Margit Weinberg Staber
Ludwig Zierer
Elisabeth Tschiemer
Max Trossmann
Gaby Oehler
Therese Grete
Elisabeth Weiland
Ernst E. Abegg
Heinrich von Grünigen
Hans Uli von Erlach
Susanne L. Bräm-Leemann
Corinna Jäger-Trees
Lucas Marco Gisi
Magnus Wieland
Moritz Wagner
Rudolf Probst
Sylviane Dupuis
Sabine Graf
Joanna Nowotny
Elias Zimmermann
Benedikt Tremp
Monika Zemp
Irmgard Wirtz
Sibylle Dorn
Marie-Christine Doffey
Elena Balzardi
Daniel Annen
Peter und Sibylle Rusterholz
Martin R. Dean
Katharina Epprecht
Annetta Ganzoni
Dominik Keller
Kathrin Utz Tremp
Christine Röthlisberger
H. Peter Pfister
Regula Gerber Jenni

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